1 Brunnen für eine unbekannte Stadt | Hannover-Herrenhausen
2516
portfolio_page-template-default,single,single-portfolio_page,postid-2516,qode-social-login-1.1.3,stockholm-core-2.3.2,select-child-theme-ver-1.1,select-theme-ver-9.8,ajax_fade,page_not_loaded,,qode_menu_,wpb-js-composer js-comp-ver-6.7.0,vc_responsive

1 Brunnen für eine unbekannte Stadt | Hannover-Herrenhausen

Fritjof Mangerich

täglich 6 – 24 Uhr

REINHÖREN

Wasserkunst – in diesem Begriff verbindet sich das Wort Wasser, mit seinen verschiedenen metaphorischen Bedeutungen wie Quell oder Strom des Lebens bis zum Fluß der Unterwelt, der das Totenreich vom Leben trennt, mit dem Begriff der Kunst, der das Schöpferische bezeichnet. Die in Hannover Herrenhausen so genannte „Wasserkunst“ ist weit prosaischer eine 1718 in Betrieb genommene technische Einrichtung, die aus drei Stauwehren an der Leine und einem historischem Pumpenhaus besteht. Gebaut wurde sie, und hier tritt die Kunst hinzu, um die Wasserspiele in den barocken Herrenhäuser Gärten zu versorgen – Springbrunnen und Wasserbecken, kleine und große Fontänen.

 

Die Vorliebe für Wasserspiele und Brunnenanlagen war an öffentlichen Plätzen früher mit der Wasserversorgung verknüpft. In Lustgärten und Atrien schätzte man die kühlende und erfrischende Wirkung des sprudelnden Wassers, aber auch dessen akustische Qualität. Und darauf bezieht sich Fritjof Mangerich mit seiner Klanginstallation „Brunnen für eine unbekannte Stadt“.

 

Die von Wasserspielen erzeugten akustischen Qualitäten reichen von Plätschern oder Säuseln bis hin zu Rauschen oder Prasseln. Das diese nicht als unangenehmer Lärm empfunden werden, liegt auch an ihrem Frequenzbereich, der entscheidende Bereiche der menschlichen Stimme überdeckt. Eine akustische Privatsphäre entsteht in der Nähe von Wassergeräuschen, die nicht nur in historischen Gartenanlagen gegen Lauschangriffe schützt, sondern auch in modernen Großraumbüros durch synthetisches Rauschen herbeigeführt wird, um die Konzentration und Leistungsfähigkeit der Belegschaft zu erhöhen.

 

An der Wasserkunst in Herrenhausen ist jedoch nicht nur der Fluß Leine zu hören, sondern ebenso ein permanentes Rauschen des Westschnellwegs mit seinem Strom aus unterschiedlichen Fahrzeugen. Ein Alltagsgeräusch, das im Gegensatz zum Wasser durchaus als störend empfunden werden kann und ganz unterschiedliche Frequenzbereiche enthält.

 

Fritjof Mangerich fügt diesen beiden Strömen aus Geräuschen mit seiner Installation einen dritten hinzu. Dieser besteht aus verschiedenen Stimmen der digitalen Realität, die 31 Privatpersonen aus der Stadt Hannover und dem Umfeld des Künstlers mit kurzen Mitschnitten ihres Medienkonsums und Kommunikationsverhaltens beigesteuert haben. Private Voice-Nachrichten, Warteschleifen, Sprachroboter, Mediatheken, Nachrichtensendungen, Apps, Werbeinhalte oder Tutorials – die gesamte Bandbreite digitaler Kommunikation wird hier hörbar.

 

Das bereitgestellte Material wurde von Fritjof Mangerich in einem eigens für den Ort entwickelten Verfahren bearbeitet und transformiert und in das akustische Umfeld der Wasserkunst eingearbeitet. Wie bei tradierten plastischen Abformtechniken diente das akustische Material zur Herstellung einer Negativform, die dann mit dem Grundrauschen des Ortes ausgegossen bzw. gefüllt wurde.

 

Die Arbeit „Brunnen für eine unbekannte Stadt“ ist vor allem hörbar, als einzig sichtbare Intervention lässt sich in einem Fenster des Pumpenhauses der Wasserkunst ein 20 cm großer kreisrunder Ausschnitt entdecken, durch den die Schallwellen dem Gebäude entweichen.

 

Die Wasserkunst ist ein stark frequentierter Ort, verbindet sie mit der Brücke des Stauwehrs doch die Stadtteile Linden und Limmer mit Herrenhausen und damit gleichzeitig Georgengarten und Leineufer, die einen beliebten Grünzug für unterschiedliche Freizeitaktivitäten bilden. Ein Strom von Passantinnen und Passanten ist hier täglich unterwegs, die nun einer akustischen Intervention begegnen, die die vertraute Umgebung deutlich verändert. Ob die Menschen innehalten oder weitergehen, lauschen oder sich durch ein eigenes digitales Gerät von Außengeräuschen abschirmen – der „Brunnen für eine unbekannte Stadt“ hört nicht auf, vor Ort eine doppelte Gegenwart zu erzeugen.

 

Audiomaterial zum Sprachstrom der digitalen Gegenwart beigetragen haben: Kike Ayoola, Julian Behm, Manfred Blieffert, Eden Cohen, Lucila Pacheco Dehne, Wanda Dubrau, Marie F., Hannah Fitz, Josephine Garbe, Anna Lilly Götz, Heinz Gramann, Jonas Habrich, Andreas Hagelüken, Luca Sophie Hahler, Duy Hoàng, Kodac Ko, Bárbara Perea Legorreta,  Tina Lehnhardt, Johannes Mangerich, Fitri Gus Mustiyantari, Shusuke Nishimatsu, Isabel Nuño de Buen, Ralf Peter Post , Georg Raum, Cecille Rodrigues, Jonna S., Elina Schild, Jana Schulz, Undine Sommer, Joana Volk und Elias Wessel.

Reinhören: Andreas Hagelüken

Text: Julienne Franke

Foto: Helmut Hennig

Video-Still: Lars Beuko

Ort der Klangkunst-Installation

Wasserkunst Herrenhausen | Hannover

Öffnungszeiten

täglich 6 - 24 Uhr