8 Glazed Emergence | Friedenshain Isernhagen
2541
portfolio_page-template-default,single,single-portfolio_page,postid-2541,qode-social-login-1.1.3,stockholm-core-2.3.2,select-child-theme-ver-1.1,select-theme-ver-9.12,ajax_fade,page_not_loaded,,qode_menu_,wpb-js-composer js-comp-ver-6.7.0,vc_responsive

8 Glazed Emergence | Friedenshain Isernhagen

Tamaki Watanabe & Walter Zurborg

So 11 – 17 Uhr

REINHÖREN

Der Friedenshain in Isernhagen gleicht einem verwunschenen märchenhaften Ort, der nur für besondere Anlässe aus dem Dornröschenschlaf geweckt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. 1907 errichtete der Kaufmann und Tischler Karl Kirchhof, der in Hannover ein Geschäft mit Aquarien und Terrarien betrieb, das private Anwesen. Der heute denkmalgeschützte Park mit seinen Gewächshäusern und Skulpturen diente nicht nur privaten Zwecken, sondern war gleichzeitig Zuchtstation für Fische und Wasserpflanzen für das Zoogeschäft.

 

Das naturkundliche Interesse des Erbauers spiegelt sich auch im Haus mit seinem ca. 12 Meter hohen Saal mit Empore wieder, der ein kleines privates Museum mit zahlreichen Vitrinen ausgestopfter Tiere, Muscheln und Mineralien enthält. Gemälde schmücken den Raum und auf der Empore finden sich mechanische Musikautomaten. Die Sammlung setzt die Tradition der Kunst- und Wunderkammern fort, spiegelt aber ebenso den Zeitgeist der Reformbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts.

 

Das Künstlerduo Tamaki Watanabe und Walter Zurborg bringt Bewegung, Klang und farbiges Licht mit ihrer Installation in den musealen Ort. Dafür haben sie in der Mitte des Saals einen hohen Tisch platziert und eine Art Laboranordung aufgebaut. Drei kleine Ventilatoren sorgen dafür, dass fünf kleine Dreiecke aus Styropor im Wind tanzen. Dabei setzen sie ein kuppelartiges Geflecht aus Fiberglasstäben in Bewegung, an denen Messingröhrchen angebracht sind. Trifft das Metall auf eine der fünf Gitarrenseiten, die dort gespannt sind, bringt es diese zum Klingen. Der Ton wird über Lautsprecher ausgegeben, die im gesamten Raum verteilt wurden, so dass der Klang eine Raumwirkung entfaltet. Eine weitere optische Veränderung erhält der Saal, indem er zum Teil in blaues Licht getaucht wird, als würde man ins Wasser schauen oder in eine künstlich beleuchtete Vitrine.

 

Der Titel der Arbeit des Künstlerduos „glazed emergence“ verweist einerseits auf eine Erscheinung hinter Glas, andererseits auf die Komplexität scheinbar zufälliger Bewegungen oder Klänge. Ein Kontext zu den Vitrinen und dem Aquariengeschäft wird hergestellt, aber auch auf die Schwierigkeit verwiesen, die Komplexität der Außenwelt in einem kleinen Schaukasten zu versammeln und zu erfassen. Glas ermöglicht trotz der trennenden, mitunter schützenden Funktion, die Sichtbarkeit des dahinter Befindlichen, seien es ausgestopfte Tiere, medizinische Präparate oder einbalsamierte Heilige im Glassarg. Doch die Vielfalt der Wissensebenen und Bedeutungszusammenhänge der reglos und unvergänglich aufbewahrten Objekte zu vermitteln, bedarf es einer umfassenderen Darstellung als der rein äußerlichen Sichtbarkeit.

 

Gegenüber den statischen Objekten in den Vitrinen und auf den Gemälden bringt die Arbeit „glazed emergence“ des Künstlerduos eine dynamische Komponente in die museale Atmosphäre. Die abstrakten geometrischen Formen und die mechanische Struktur zur Klangerzeugung lassen eine experimentell-technische Seite hervortreten, während die naturwissenschaftlichen Ordnungskategorien und Aufbewahrungssysteme Erklärbarkeit und Folgerichtigkeit von biologischen Entwicklungsprozessen hervorheben. Die Mechanik von Musikautomaten, die der möglichst genauen Wiedergabe bestimmter Musikstücke dienen, setzt das Künstlerduo einen künstlerischen Prozeß entgegen, der den Zufall einbezieht. Die dabei herausgearbeitete gelenkte Klangerzeugung mittels eines gesteuerten Anschlags der Gitarrensaiten, hat nicht die Wiedergabe einer bereits bekannten Komposition zum Ziel. Das Ergebnis ist ein ästhetisches und keines auf Nutzwert oder produktive Verwertbarkeit ausgerichtetes.

 

Fragen zu unterschiedlichen Formen der Wissenserzeugung, der Wahrnehmung und möglichem Erkenntnisgewinn werden aufgrund der Intervention von Tamaki Watanabe und Walter Zurborg angesprochen. Momente kindlichen Staunens, die bis ins letzte Jahrhundert noch in den Museen entstanden, wenn Besuchende erstmalig Objekten und Wesen aus fremden Welten begegneten, die heute im Netz elektronischer Medien dauerhaft bildlich abrufbar sind, werden wach gerufen. Wissenserwerb als Prozeß, der mit Begegnungen mit Artefakten und Bewegung im Raum verbunden ist, wirkt sich nachweislich anders aus als lesend Informationen am Bildschirm zu erfassen. Ein Ort wie der Friedenshain Isernhagen macht dies anschaulich.

Reinhören : Andreas Hagelüken
Text: Julienne Franke
Fotos: Jürgen Brinkmann

 

www.watanabe-zurborg.com

Ort der Klangkunst-Installation

Friedenshain | Isernhagen

Öffnungszeiten

So 11 - 17 Uhr