In Barsinghausen treffen am Mont-Saint-Aignan-Platz verschiedene öffentliche Bereiche aufeinander. Hier liegt der südliche Zugang zur Fußgängerzone zwischen dem Kloster auf der einen und dem Rathaus auf der anderen Seite des Weges. Der Klostermauer vorgelagert ist ein kleiner Platz mit einer alten Linde und einer Kreuz-Skulptur des Bildhauers Hannes Meinhard. Ihm gegenüber erinnern auf einer Rasenfläche zwei Gedenksteine an die jüdischen Opfer der NS-Herrschaft und an die Deutsche Einheit. Eine komplexe Situation, in der die Klanginstallation von Franziska Windisch temporär einen Ort erhält – zwischen Kloster- und Bergwerkstradition, geistlicher und weltlicher Verwaltung, Gedenk- und Aufenthaltsort.
Die Künstlerin nutzt die fünf zugemauerten Fensternischen der Klostermauer, die eine trennende wie schützende Funktion einer Mauer noch deutlicher hervorheben. Einblicke werden verhindert, eine Kommunikation unterbunden und gleichzeitig eine gewisse Neugier am „Dahinter“ geweckt, das Verborgenes erahnen und Geheimes vermuten läßt.
Franziska Windisch nähert sich der ambivalenten Situation einer möglichen Durchlässigkeit dieser festen Barriere mit dem physikalischen Begriff der Permeation, der titelgebend für die Klanginstallation ist. Damit wird der Vorgang der Durchwanderung eines Festkörpers durch einen anderen Stoff beschrieben, der im Kontext der Klanginstallation auf eine mögliche akustische Durchlässigkeit der Klostermauer hinweist. Denn wo Blicke verwehrt sind, kann im Lauschen ein Dahinter noch erfahrbar sein wie auch Mauern vor dem Lärm der Umgebung nicht unbedingt schützen, sondern ihn lediglich dämpfen oder im Klang modifizieren.
Franziska Windisch fügt in die fünf Nischen großflächige Elemente aus Birkenholz ein, die durch Körperschallwandler zum Schwingen gebracht werden. Bereits optisch wird dabei eine Veränderung an der Klostermauer sichtbar. Die Elemente mit ihren Kreisformen oder -segmenten erzeugen neue Öffnungen und Abdeckungen, ohne das Motiv des Fensters, das in der bildenden Kunst eine vielfältige Tradition hat, zu zitieren. Die Elemente wirken abstrakt und mit ihrer geometrischen Form einer zeichenhaften Symbolik zugehörig. Die verschiedene Größe der Öffnungen und Aussparungen könnte als Hinweis auf unterschiedliche Klangeindrücke und Lautstärke verstanden werden, ohne dass eindeutige Zuweisungen erfolgen. Sie gleichen einer Membran wie dem Trommelfell im Ohr, nur dass sie nicht als Empfänger eines Klangs fungieren, sondern in umgekehrter Funktion als Sender dienen.
Was optisch bereits sichtbar wird, findet sich auf der akustischen Ebene wieder – für die fünf Nischen sind jeweils unterschiedliche Kompositionen entstanden. Diese richten sich an einzelne Personen, die an diesem Durchgangsort quasi im Vorbeigehen „angesprochen“ und zum Abweichen vom geplanten Weg animiert werden. Die relativ leisen Klänge erfordern ein Herantreten an die Mauernischen, aus denen Instrumentalklänge von Basstrommel, Orgel und Cello zu hören sind im Wechsel mit gesprochenen Passagen. Die Textfragmente enthalten Hör- und Bewegungsanweisungen, die schrittweise von einem Fenster zum nächsten leiten und zum bewußten Hören anregen. Dabei werden in jeder Mauernische andere Aspekte und Gedanken formuliert – zu Raum und Klang, Trommel und Fell, Resonanz und Körper, Natur und Stimme. Bewußte Pausen lassen Platz, die Umgebungsgeräusche wahrzunehmen, die so Teil der Arbeit werden und nicht von dieser übertönt werden. Das Hören erfährt eine Ausrichtung und wird zum bewußten Lauschen im Gegensatz zu einer allgemeinen unbewußten Geräuschwahrnehmung im Alltag.
Die Klanginstallation von Franziska Windisch erweitert den bereits komplex besetzten Ort in Barsinghausen um eine weitere akustische Dimension und wirft mit ihrer Platzierung an der Klostermauer Fragen zur Wahrnehmungen von Zwischentönen und Übergangen von Innen und Außen, Jenseits und Diesseits, Sichtbarem und Unsichtbarem auf.
Reinhören: Andreas Hagelüken
Text: Julienne Franke
Fotos: Jürgen Brinkmann
Mo-Sa 10-20 Uhr | So 11-20 Uhr