Mitten auf einer gut erreichbaren Grünfläche am nördlichen Stadtrand, unmittelbar am Bahndamm der Strecke Hannover-Hamburg: ein offener Raum aus Stahlträgern und PVC-Streifenvorhängen. Es ist ein unmöblierter Behelfsbau, ein flüchtiger Container. Vielleicht auch eine Art Fata Morgana, ein poetisches Mehr zwischen Wahrnehmung und Vorstellung. Eine vergilbte Momentaufnahme aus dem Familienalbum, herauspräpariertes Detail einer Erinnerung.
House of Wind ist ein Denkmal für den Sommerwind. Nicht irgendeinen. Nein, den aus der Kindheit des Künstlers in den 1970er Jahren. Der diese allgegenwärtigen Plastikstreifen zur Fliegenabwehr in den Türen in einen ständigen Bewegungsfluss versetzte. Sanft wiegend. Sich mächtig aufbäumend. Der untrennbar verbunden scheint mit dem Quäken des Transistorradios. Mit Eis und Himbeersirup, Blumen und Schmetterlingen, aufgeheiztem Boden und dessen betörendem Duft. Ein Sommerwind, der singt. Der ein Lebensgefühl erzählt. Zugleich erstellt der Künstler ein Porträt der Landschaft des norddeutschen Tieflandes. Winde von Nordwest lassen das Meer erahnen, die Wolken sind wie auf Perlenketten gereiht. Mittelgebirge am Horizont, das Rauschen der Pappeln, die wiegenden Felder.
Jan Philip Scheibe ist 1972 in Lemgo geboren und lebt in Hamburg. Er studierte Kunst und Design in Aachen und spezialisierte sich auf Lichtkunst und Umweltgestaltung. Er inszeniert Orte und Räume mit einem Augenmerk auf Geschichten, stattet sie oft mit Möbeln, Schrift oder Licht aus. Dabei rückt er Details in den Mittelpunkt und macht sie sichtbar – wie im House of Wind die Richtung und Intensität des Windes.