6 Transient | Neustadt
2535
portfolio_page-template-default,single,single-portfolio_page,postid-2535,qode-social-login-1.1.3,stockholm-core-2.3.2,select-child-theme-ver-1.1,select-theme-ver-9.8,ajax_fade,page_not_loaded,,qode_menu_,wpb-js-composer js-comp-ver-6.7.0,vc_responsive

6 Transient | Neustadt

Clara Oppel

Fr, Sa 14-17 Uhr | So 11 – 17 Uhr

REINHÖREN

Die Stadt Neustadt a. Rbge., am Fluß Leine und nicht weit entfernt vom Steinhuder Meer gelegen, wurde 1501 Hauptstadt des neuen Fürstentums Calenberg und zweite Residenz des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel. Der alten 1563 abgebrannten Burg folgte 1573 ein Neubau im Renaissancestil, das ursprünglich dreiflügelige Schloß Landestrost, der heute vorwiegend kulturellen Zwecken dient. Zugleich wurde die ganze Stadt mit Verteidigungsanlagen befestigt wie man im Amtsgarten des Schlosses noch heute an den Mauern erkennen kann. Die darin eingebetteten spitzbogigen Kasematten sind 100 m lang, fast 3,5 m breit und 4 m hoch. Sie dienten unbemerkten Truppenverschiebungen und waren so hoch, dass Reiter ohne abzusitzen hindurch passten.

 

Clara Oppel hat für diesen langen gemauerten Gang mit seiner besonderen Ästhetik, aber auch Akustik eine spezielle Klanginstallation entwickelt. Sie basiert auf akustischem Material, das die Künstlerin direkt in der Kasematte und deren Umgebung mit dem Audiorekorder aufgenommen hat. Die Töne, Geräusche, Klangtexturen und Klangatmosphären werden im Anschluß digital bearbeitet und zu einem Raumklang komponiert. Die räumliche Wirkung von Klang mit den klanglichen Eigenheiten eines Raumes in Verbindung zu setzen, ist dabei Herausforderung und Anliegen der Künstlerin.

 

Dafür sind an den Wänden der Kasematten 128 Lautsprecher angebracht worden, die akustisch acht Sphären bilden, aber auch visuell unerlässlicher Bestandteil der Installation sind. Jede dieser acht Sphären wird individuell angesteuert und von den Besucherinnen und Besuchern beim Durchschreiten des Ganges durchquert. Eine akustische Topographie wird hör- und erlebbar, die aus fragmentarischen Hörbildern besteht, die sich in zeitversetzten Intervallen im Raum bewegen.

 

Die Kabel, die zur Übertragung der Audiosignale dienen, übernehmen dabei die Aufgabe die Klanginstallation visuell als Wandzeichnung zu erschließen. Ihre Form und Lineatur im Raum stellt keine technische Notwendigkeit dar, sondern ist zeichnerisches Mittel. So wie der bewegte Klang in den Kasematten mit seinen Tönen Spuren, Muster und klangliche Interaktionen akustisch zeichnet, bilden die Kabel und Lautsprecher ein Netz von fragmentarischen Wegen und Pfaden, die eine weitere visuelle Ebene im Raum formen.

 

Der Titel der Arbeit „transient“ beschreibt die Bewegung und zeitliche Struktur des Klangs in zweifacher Hinsicht, kann man ihn als „vorübergehend“ wie „nicht dauerhaft“ übersetzen. Denn die Elemente aus den verschiedenen Klangfeldern wandern, scheinen sich zu verdichten, brechen auf und fügen sich wieder neu zusammen. Eine dynamische Situation entsteht, Klänge laufen vorwärts und rückwärts, reflektieren sich gegenseitig. Die Tunnelsituation der Kasematten wird durch die Klanginstallation anders strukturiert, der Sog des raschen Durchschreitens vom Eingang durch die spärlich erleuchtete Länge zum Ausgang am Ende und damit wieder ins Licht, durch die Klangzonen verlangsamt. Stehen bleiben und Lauschen, die Wendung zurück, um bereits durchquerte Klangzonen mit Hilfe der Lautsprecheranordnung zu erinnern, kann wichtig werden, die Aufenthaltsdauer dehnt sich.

 

Die Besucherinnen und Besucher bewegen sich im Klangfeld, das anders als eine visuelle Installation nicht gerichtet ist, sondern den Raum insgesamt einnimmt. Dies entsteht aufgrund der bewegten einzelnen Hörelemente und verdichtet sich zu einem Zustand von Ruhe und Bewegung zugleich, zu einer Verbindung von Einheit mit Vielfalt. Eine individuelle Raumerfahrung wird möglich, die gleichzeitig mit der Vergänglichkeit subjektiver Wahrnehmung und Erinnerung konfrontiert. Da das einmalige Erlebnis von Raum, Klang und Zeit weder festgehalten noch reproduziert werden kann, gewinnt der unverfälschte Augenblick an Bedeutung und sein Einsinken in die persönliche innere Welt.

 

www.oppel.at

Reinhören: Andreas Hagelüken

Text: Julienne Franke

Video-Stills: Lars Beuko

Ort der Klangkunst-Installation

Kasematten, Schloss Landestrost | Neustadt

Öffnungszeiten

Fr, Sa 14-17 Uhr | So 11 - 17 Uhr